Ich fragte mich, was Dan hier machte und wieso er nicht mehr im Gefängnis saß, da wo er hingehörte. Doch ich konnte nicht anders, als ihn sprachlos anzusehen. In den letzten Tagen hatte ich fast so etwas wie Mitleid für ihn empfunden, da ich nun wusste, wie man sich nach einer solchen Entscheidung, die wir beide getroffen hatten, fühlt. Doch jetzt, als ich ihm in die Augen sah, verflog alles und ich fühlte nur noch Hass. Er hatte uns Keith weggenommen, er hatte ihn getöten, seinen eigenen Buder und das konnte ihm einfach nicht verziehen werden. Es machte mich rasend, dass er da stand, als wäre nichts gewesen. "Was machst du hier?", fragte ich voller Hass.

"Allem Anschein nach trinke ich diesen billigen Schnaps, naja, was solls, man bekommt, das, was man verdient, nicht wahr." Antwortete ich ihm, obwohl ich genau wusste, dass das nicht die Antwort war, die er hören wollte. "Zwei Bier." Bestellte ich noch bei Barkeeper, eines davon reichte ich Lucas, obwohl ich genauso gut wie er wusste, dass wir wohl niemals zusammen ein Bier trinken würden. "Genug von mir, jetzt zu dir, was treibt dich hierher?" Fragend sah ich ihn an, aber auch etwas amüsiert.

"Zumindest sollte man das.", erwiderte ich und funkelte ihn an. Dan kam immer damit durch, egal was er tat. Ich konnte immer noch nicht glauben, dass er nicht mehr im Gefängnis war. Ich hatte ihn erst sehr viel später als freien Mann erwartet. Das Bier, dass er mir hinstellte, ignorierte ich. "Das geht dich nichts an!", antwortete ich und betonte dabei jedes einzelte Wort.

"Aber dennoch willst du darüber reden, nicht wahr, und da wohl nur ich hier bin, bleibt dir nichts anderes übrig, denn warum wärst du wohl nich hier, wenn du nicht reden willst?" Fragte ich und sah ihn an. Lucas war einfach zu durchschaubar, dass war er schon immer gewesen, und das würde sich auch wohl nie ändern. Nicht, dass es nicht gut war, aber, somit war er auch viel verletztbarer, als eigentlich gut war, jedenfalls empfand ich das so für meine Verhältnisse. Ich wusste, dass er das Bier ignoriere würde, desswegen sagte ich dazu auch nichts meh, sondern nahm einen Schluck von meinem.

"Mit dir ganz bestimmt nicht!", antwortete ich und wurde mit jedem Wort, das Dan von sich gab, wütender. Auf ihn, weil er nicht aufhörte zu grinsend und auch auf mich, weil ich so leicht zu durchschauen war. Ich hätte mich einfach umdrehen sollen und gehen, aber natürlich tat ich das nicht. Stattdessen griff ich nach der Flasche Bier, die immer noch neben mir stand und trank daraus.

"Schön auch gut." Antwortete ich darauf, denn das hatte ich auch nicht erwartet. Ich trank mein Bier aus und legte etwas Geld auf den Tresen. Dann drehte ich mich wieder zu Lucas. "Wie auch immer, ich würde alles dafür geben, jemanden zum reden zu haben, also Lucas, unterschätz das Privileg nicht." Sprach ich in erstem Ton. "Ein zwei Bier sind für dich noch drin." Sagte ich abschließend und deutete auf den Geldschein, den ich auf den Tresen gelegt hatte. Dann erhob ich mich. "Also, Sohn, wir sehen uns sicherlich öfter." Grinste ich ihn an.

"Das hättest du dir vorher überlegen sollen.", schnaubte ich. "Als du Keith ermordet hast, bist du für uns auch gestorben."
"Dein Geld kannst du behalten!", sagte ich wütend und stand ebenfalls auf.
"Ich habe jemanden erschossen.", sagte ich, als Dan gerade gehen wollte. Ich sagte es laut genug, sodass er es hören konnte, aber niemand sonst.
Ich versuchte meine Stimme ruhig und kalt klingen zu lassen, doch diese Worte auszusprechen, kostete mich mehr Überwindung, als ich gedacht hatte.

"Komm schon Lucas, das stimmt nicht, ich war schon viel früher für euch gestorben, sei nicht so dramatisch." Sagte ich noch immer grinsend. Mit diesen Worte drehte ich mich um und ging, doch blieb stehen. Was hatte er da gesagt? Ich drehte mich wieder skeptisch um und sah ihn an. Vorerst sagte ich nichts, denn was sollte ich auch darauf antworten. Langsam ließ ich mich wieder auf den Barhocker neben ihm fallen. "Und, wie fühlt es sich an?" Wollte ich von ihm wissen. Nicht, dass ich es nicht wüsste, aber jetzt hatte Lucas wohl mehr mit mir gemeinsam, als er es eigentlich wollte.

Ich lachte auf. Damit hatte er vielleicht sogar recht, doch ich konnte es nicht fassen, dass er sich immer noch witzig fand. Ich verengte meine Augen zu Schlitzen und konnte mir denken, was ihm in diesem Augenblick durch den Kopf ging. Ich war genauso wie Dan. Dieser Gedanke ging mir seit zwei Tagen nicht mehr aus dem Kopf. "Es fühlt sich nicht mal halb so schlimm an, wie ein Leben ohne Keith!", beantwortet ich seine Frage und wartete gespannt auf seine Reaktion.

"Ohja, damit hast ausnahmsweise Recht." Bestätigte ich ihm und bestellte mir noch einen Whiskey. "Nimmst du auch noch einen?" Wollte ich beiläufig wissen. Auch wenn ich so tat, als ob all das nicht das Geringste für mich von Wert hatte, so genoss ich die kurze Zeit mit Lucas sehr. Ich sah sie nicht als selbstverständlich an, ich war froh, dass er nicht gegangen war, als er mich gesehen hatte, so wie sie es alle sonst immer getan hätten. "Weißt du, Lucas, du brauchst keine Angst haben, so zu werden, wie ich, ich weiß, es wird dich wurmen, der Gedanke daran, aber, da solltest du nicht allzu viel Wert drauf legen. Du wirst nie so werden, wie ich." Sagte ich mit fester Stimme. "Das würde ich nie im Leben zu lassen." Fügte ich noch leise hinzu, ohne meinen Sohn dabei anzusehen.

"Nein, danke.", antwortete ich und fragte mich, was in mich gefahren war, dass ich mit Dan darüber sprach. Mit niemandem sonst hatte ich darüber gesprochen und jetzt ausgerechnet mit ihm. Obwohl ich das nur ungern zugab, so hatte Dan sich in den fünf Jahren, die ich ihn nicht gesehen hatte, verändert. Doch das änderte nichts daran, was er getan hatte. "Und damit hast Du ausnahmsweise Recht. Ich werde niemals so werden wie du!" Diese Worte auszusprechen tat gut und ein Strom von Erleichterung durchströmte mich, als mir klar wurde, dass es die Wahrheit war. Ich würde nie so sein wie Dan.

Perplex und verwundert sah ich ihn an. Mit seiner Antwort hatte er es geschafft mich sprachlos zu machen. Ich nickte leicht, sah von ihm ab und schluckte. Die Realität war wieder zurück, die Wahrheit hatte mich wieder gefunden und war zurück, um mich zu qäulen. "Stimmt, Junge, denn du bist besser als ich." Sagte ich leise und ließ mein volles Glas einfach auf dem Tisch stehen, als ich aufstand. "Abzudrücken ist leicht, es geschieht so schnell, dass du es garnicht mal verstehen kannst, das Schwierigste ist das, was danach kommt, nämlich man selbst. Der Tod hat keinerlei Bedeutung mehr, man ist nun allein, in dem schwarzen Ozean der Seele und wenn du das begriffen hast, bist auch du tot. Pass auf, dass es soweit nicht kommt, Lucas!" Mit diesen Worte, lief ich schwerenherzens aus dem Tric, denn es gab nichts mehr, was gesagt werden konnte ...

nach: Innenstadt, Hotel

Ich schaute Dan hinterher, bis er durch die Tür verschwunden war und fragte mich, ob Menschen sich wirklich ändern konnten. Die meisten taten es nicht, weil es viel einfacher und bequemer ist, so zu sein, wie man schon immer war. Ich konnte mich noch genau daran erinnern, wie es war, in dieser Hütte zu stehen, die Waffe auf einen Fremden gerichtet. Es war mir vorgekommen, wie eine Ewigkeit, in der ich mit mir selbst gekämpft hatte. Aber ich musste es tun, um Peyton zu schützen und um uns alle zu retten. Ich dachte über Dans Worte nach. Für ihn war es leicht gewesen, die Waffe auf seinen eigenen Bruder zu richten und abzudrücken und das konnte ich absolut nicht nachvollziehen. Und trotzdem machten mich seine Worte nachdenklich und erneut hatte ich Angst vor dem, was noch auf mich zukommen würde. Ich musste Nathan vor ihm warnen, falls es nicht schon zu spät war.

Ich hatte die ganze Zeit von hinten beobachtet wie sich Lucas mit einem älteren Herrn unterhalten hatte. Nachdem dieser gegangen war ging ich vorsichtig auf Lucas zu.
"Lucas? Allles in Ordnung bei dir? Wer war der Kerl?" fragte ich ihn.
Er sah ziemlich durch den Wind aus und als Freundin wollte ich für ihn da sein.

Als Alex mich ansprach schreckte ich auf und schaute zu ihr hoch. "Hey Alex.", bergrüßte ich sie und versuchte meine Stimme normal klingen zu lassen. "Ja, alles in Ordnung. Ach, das war nur... ähm.. mein Vater.", antwortete ich und schaute zur Seite. Es war seltsam ihn so zu nennen.